Gemeinschaft und Individuum
Schon während meines Studiums hatte ich den Wunsch, später mal in Gemeinschaft zu leben. Kurz nach Ende des Studiums bin ich dann (in 2002 mit 33 Jahren) ins Ökodorf Sieben Linden und wohne seitdem dort.
Gemeinschaftlich leben, war neben dem ökologisch leben meine Motivation.
Und ich habe erfahren, dass dieses Leben in Gemeinschaft auch und manchmal sogar als erstes Anlass für meine persönliche Weiterentwicklung war, mit vielen schönen und auch schmerzhaften Momenten.
In den über 20 Jahren, die ich und viele meiner Mitbewohner*innen hier wohnen, haben wir viel gelernt, auch zur Lösung von Konflikten. Trotzdem erlebe ich immer wieder Konflikte zwischen uns.
Wie kommt das? Und kann man dieses Muster auflösen?
Meiner Ansicht nach stehen wir – als westliche Zivilisation - vor einer großen menschheitskulturellen Herausforderung:
Früher gab es Gemeinschaft in den patriarchalen Großfamilien, einhergehend mit einer starken Unterdrückung des Individuums. Seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts haben sich die Menschen zunehmend davon befreit und suchen ihr Glück in der Autonomie und Selbstbestimmung, oftmals auch ohne die Verbundenheit zu ihren Mitmenschen zu spüren. Das hat zum einen zu viel Freiheit geführt und zum anderen zu mehr Einsamkeit, gepaart mit einem immer weiter steigenden Konsum. Dieser steigende Energie- und Ressourcenverbrauch hat maßgeblich auch mit zu den vielen Problemen geführt, mit denen wir heute konfrontiert sind: Klimawandel und Verlust der Biodiversität, um nur zwei zu nennen.
In den Gemeinschaftsprojekten versuchen wir nun, beides zu verbinden: gemeinschaftlich und selbstbestimmt leben – oft auch gepaart mit einem einfacheren Lebensstil, um den Planeten nicht noch mehr auszubeuten.
Das ist häufig nicht einfach, denn so groß unser Wunsch nach einem gemeinschaftlichen Leben ist, so wenig sind wir darin geübt; es gibt kaum Beispiele für „gelungenes Gemeinschaftsleben“.
Hinzu kommen oft noch die Verletzungen aus unserer Kindheit, auch bedingt dadurch, dass unsere Vorfahren kaum ein gesundes Verhältnis zwischen Gemeinschaft und Autonomie erlebt haben.
Mein großes Anliegen ist nun, in meiner Prozessbegleitung und Gemeinschaftsberatung mit dazu beizutragen, dass das Miteinander wieder flüssiger läuft, Konflikte gut angesprochen und gelöst werden können und wir in Lebendigkeit gemeinsam Projekte voran bringen können.